Vielen Menschen ist inzwischen bewusst, dass es eine Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche gibt. Bislang wurde der Psyche in dieser Konstellation immer die dominierende Rolle zugeschrieben. Die Embodiment Theorie untermauert jedoch die Ansicht, dass der Körper einen wesentlichen Einfluss auf unsere Psyche und damit auf unser Wohlbefinden haben kann. Dies ist die Grundannahme, auf der der körperorientierte Ansatz unseres Feel Inside Angebots beruht.
Embodiment Theorie: Durch körperliches Erleben Einfluss auf die Psyche nehmen
Früher wurde davon ausgegangen, dass Körper und Psyche (Geist und Seele) voneinander getrennt sind. Inzwischen wurde festgestellt, dass Körper und Psyche untrennbar miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen.
Bislang wurde dieser Zusammenhang eher als eine unidirektionale Beziehung (nur in eine Richtung gültige Beziehung) betrachtet. Nämlich, dass die Psyche den Körper beeinflusst.
Vielen Menschen ist bekannt, dass unser geistiger Zustand und unsere Denkweise einen prägenden Einfluss auf unsere körperliche Verfassung haben. Unter anderem wird in dem Buch „Mind over Medicine“ der Ärztin Lissa Rankin eindrucksvoll beschrieben, wie Veränderungen in der Gedankenwelt das körperliche Wohlbefinden beeinflussen können.
Ein Sprichwort sagt: "Der Körper ist der Spiegel der Seele". Das bedeutet zum einen, dass aus der Interpretation der körperlichen Haltung Rückschlüsse auf die psychische Verfassung eines Menschen gezogen werden können. Zum anderen, und das ist für mich die Hauptaussage, heißt es, dass unsere innere Welt (Psyche - Geist und Seele) unsere äußere Welt (Physis - der Körper) beeinflusst.
Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Forschung mit der Frage, welche Rolle der Körper bei der Interaktion zwischen Körper und Psyche spielt. Wir wissen viel über die Macht der Psyche auf den Körper, aber bestimmen unsere Seele und unser Geist wirklich, wie sich unser Körper fühlt, oder ist es vielleicht umgekehrt?
Wolfgang Tschacher beschreibt in „Embodiment – Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen“, dass Untersuchungen genau das Gegenteil von dem gezeigt haben, was bisher angenommen wurde. Es wurde aufgezeigt, dass der Körperausdruck oder die Körperhaltung die Kognition und die Emotionen bestimmt und nicht andersherum. Nach diesen Studien müsste das Sprichwort eigentlich heißen: „Die Seele ist der Spiegel des Körpers“.
Auf der Grundlage dieser Beobachtungen wurde die Embodiment Theorie aufgestellt und weiter erforscht. Embodiment bedeutet auf Deutsch "Verkörperung". Wir von Feel Inside finden das Wort in der direkten Übersetzung einschränkend und verwenden die englische Version.
Die Embodiment Theorie beschreibt die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche und besagt, dass psychologische Veränderungen durch Veränderungen auf der körperlichen Ebene erreicht werden können und nicht nur umgekehrt. Diese Theorie stammt aus der neueren Kognitionswissenschaft und in diesem Zusammenhang wird das Zusammenspiel von Körper, Psyche und Umwelt erforscht.
Viele Kognitionswissenschaftler vertreten heute die Embodiment Theorie und gehen davon aus, dass alle geistigen Prozesse durch das sensomotorische System des Körpers beeinflusst werden.
Die Embodiment Theorie vertritt damit einen körperorientierten Lernansatz, bei dem Neues durch körperliche Erfahrungen erlebt und verinnerlicht wird.
Welche Bedeutung hat die Embodiment Theorie für die Verbesserung des sexuellen Wohlbefindens?
Die Embodiment Theorie bildet die Grundannahme für den körperorientierten Ansatz unseres Feel Inside Angebots und unterstützt die Wirksamkeit der Arbeit mit dem Körper.
Meine Ausbildung als Sexualberaterin basiert auf Sexocorporel, einem körperorientierten Ansatz in der Sexualberatung. Während der Ausbildung und durch Erfahrungen im Vorfeld, konnte ich mich selbst davon überzeugen, welchen Einfluss Körperarbeit auf die innere Befindlichkeit nehmen kann. Deshalb setze ich in meiner Arbeitsweise auf das körperliche Erleben. Dieser Ansatz ist meiner Meinung nach besonders effektiv, wenn nachhaltige Veränderungen erreicht werden sollen.
Denn im Gegensatz zur theoretischen Wissensvermittlung werden neue körperliche Erfahrungen besser im Gedächtnis verankert.
Körperarbeit ist aber nur deshalb in der Steigerung des sexuellen Wohlbefindens so effektiv, weil Sexualität ein Lernprozess ist – erfüllende Sexualität ist lernbar. Bestimmte Aspekte unserer Sexualität sind angeboren, wie etwa der Erregungsreflex. Aber vieles von dem, was unsere Sexualität ausmacht, haben wir durch körperliche Erfahrungen von klein auf gelernt.
Unter anderem hat unser Tastsinn unser Körperbild in unserem Kopf geformt. Regionen, die wir selten berühren, sind daher in unserem Kopf weniger präsent, für diese Körperstellen sind wenige Informationen gespeichert. Das Körperbild kann erweitert werden, indem wir die Teile und Bereiche des Körpers, die wir bisher weniger berührt haben, immer wieder berühren.
Ähnlich verhält es sich mit sexuellen Empfindungen. Durch wiederholte taktile Reize, wie Berührungen, Druck oder Wärme, können neue neuronale "Autobahnen" entstehen und bestimmte Berührungen als angenehm empfunden werden. Neue Dinge können sich zunächst ungewohnt anfühlen, deshalb ist es wichtig, sie mehrmals auszuprobieren, um zu entscheiden, ob sie angenehm oder unangenehm sind. Dabei ist es wichtig, immer auf die eigenen Grenzen zu achten und sie nicht zu verletzen.
Unabhängig vom Alter ist es nie zu spät, mit der Erkundung der Sexualität zu beginnen und durch Arbeit mit dem Körper den Lernprozess anzustoßen. Es kann nur manchmal etwas länger dauern, bis sich eine Veränderung einstellt.
Körperwahrnehmung als Basis für Veränderungen durch Körperarbeit
Für effektive Körperarbeit ist es wichtig den Körper zu bewohnen. Einfach ausgedrückt bedeutet es für mich, dem Körper Aufmerksamkeit und Bewusstsein zu schenken und vital zu sein. Oder wie es der Autor Eckart Tolle ausdrückt: „Den Körper zu bewohnen bedeutet, den Körper von innen zu spüren und das Leben im Körper zu spüren“.
Das funktioniert besonders gut, wenn wir die vier Hauptkomponenten körperlicher Aktivität einsetzen: Bewegung, Atmung, Rhythmus und Spannung.
Veränderungen auf der Ebene dieser vier körperlichen Aspekte können große psychologische Veränderungen bewirken.
Je nachdem ob,
unsere Bewegung schnell oder langsam ist
wir schnell und flach atmen oder langsam und tief
der Rhythmus, also die zeitliche Abfolge von Aktivitäten, zwischen langen und kurzen Phasen wechselt
wir körperlich angespannt oder entspannt sind, unsere Körperhaltung angespannt oder entspannt ist
beeinflusst maßgeblich, wie wir uns fühlen.
Durch das bewusste Wahrnehmen, welchen Einfluss diese vier Komponenten körperlicher Aktivität auf unsere Psyche haben, verbessert sich auch der Bezug zu unserem Körper.
3 Beispiele für euren Selbstversuch, um den Einfluss des Körpers auf die Psyche zu erleben
Dieser Blogbeitrag handelt davon, durch körperliches Erleben zu lernen und einen Einfluss auf die Psyche zu nehmen. Daher ist es am besten, du probierst selbst aus und spürst, wie sich deine Körperhaltung bzw. dein Körperzustand auf dein Empfinden und deine Stimmung auswirkt.
1.Hocke dich auf den Boden und mach dich ganz klein zu einem Päckchen – Nimm in dieser Position ein paar Atemzüge und versuche wertungsfrei zu beobachten – Wechsel nun in den Stand, strecke deine Arme und richte deine Wirbelsäule auf – Spüre auch in dieser Position in dich hinein: Was hat sich verändert? – Wiederhole die Abfolge nochmal langsam und beobachte dein Empfinden.
(Den Körper einmal kurz ausschütteln und auf Bewegung einstellen.)
2. Laufe nun schnell und angespannt durch den Raum, spanne alles an: die Beine, die Pobacken, den Kiefer: Wie fühlt sich dieser Gang an? Wie atmest du dabei? – Bleibe stehen: Wie fühlst du dich? Beobachte einen Moment deine Empfindungen – Gehe anschließend entspannt durch den Raum, in einem für dich angemessenen Tempo: Was verändert sich? Was passiert mit deiner Atmung? – Bleibe nach einer Zeit wieder stehen und beobachte, wie deine Stimmung ist – Wiederhole die Abfolge gerne nochmal.
(Schüttle den Körper nochmal kurz aus.)
3. Bleibe im Stand und senke deinen Kopf, schaue auf den Boden, spanne den Kiefer an – Verweile so einen Moment und löse dann die Haltung – Lasse den Kopf aufrecht und lass jetzt deinen Blick in die Ferne schweifen, probiere lang und tief zu atmen: Wie fühlt sich dieser Wechsel an?
Das sind drei einfach Beispiele, um die Embodiment Theorie und die Wirksamkeit von körperorientierten Interventionen zu verdeutlichen. In der Sexualberatung werden Körperübungen gezielt auf die jeweilige persönliche Situation abgestimmt, um den individuellen Lernprozess zu unterstützen und das sexuelle Wohlbefinden zu steigern.
Der Einsatz von Körperarbeit zur Verbesserung des Wohlbefindens hat nichts mit Esoterik zu tun
Die Bedeutung des Körpers und seine Rolle bei der Gestaltung unseres Wohlbefindens wird in unserer Gesellschaft immer noch unterschätzt.
Je nach Umfeld ist Körperarbeit verpönt und wird in eine esoterische Ecke gedrängt. Das finde ich schade, möchte es aber nicht verurteilen, denn die meisten von uns haben gelernt, dass der Geist eine höhere Wertigkeit hat als der Körper. Dieser Glaubenssatz wird nicht zuletzt dadurch gestützt, dass geistige Arbeit höher angesehen ist als körperliche.
Immer wieder beobachte ich, dass es den Menschen schwerfällt, liebevoll zu ihrem Körper zu sein und sich um ihn zu kümmern.
Persönlich bin ich davon überzeugt, dass sich in den nächsten Jahren langsam aber sicher ein Wandel vollziehen wird. Denn wir Menschen brauchen unseren Körper und unser Körperbewusstsein, um im Hier und Jetzt verankert zu sein und nicht von der schnelllebigen Welt in einen Strudel gezogen zu werden und uns im Karussell unserer Gedanken zu verlieren.
Indem wir mit unserem Körper arbeiten, schaffen wir Achtsamkeit, Klarheit und damit Fokus - alles drei Komponenten, die auch für den Erfolg im Geschäftsleben wichtig sind.
Lasst euch nicht entmutigen, wenn ihr in der Körperarbeit für euch eine Ressource gefunden habt und euer Umfeld diesen Ansatz ablehnt oder noch keinen Zugang dazu gefunden hat. Dem Körper Aufmerksamkeit zu schenken und seinen Einfluss auf unser Wohlbefinden zu nutzen, zeugt meiner Meinung nach von moderner Aufgeklärtheit und nicht von Esoterik.
Quelle zur Embodiment Theorie:
„Embodiment – Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen / Maja Storch, Benita Cantieni, Gerald Hüther, Wolfgang Tschacher / 3. Unveränderte Auflage / 2017“
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